… und her mit dem Anti-Patriarchatstag? Diese Namensänderung regt Dr. Emilia Roig anlässlich des Frauenmonats März an. Die Direktorin des Center for Intersectional Justice (CIJ) in Berlin erklärt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, warum sie das für eine gute Idee hält (hier das Interview). Doch zunächst einmal: Was ist dieser Frauentag überhaupt?
Der Frauentag
Der internationale Frauentag wird in vielen Ländern weltweit begangen – und zwar schon seit dem Jahr 1911! Anfangs noch am 19. März, feiert, demonstriert und fordert man heute am 8. März. In einigen Ländern ist der Frauentag ein gesetzlicher Feiertag, und auch Berlin traf als erstes deutsches Bundesland im vergangenen Jahr diese Entscheidung.
Aufgrund der internationalen Beteiligung am Weltfrauentag – auch internationaler Frauentag oder Frauenkampftag genannt – überrascht es nicht, dass die Forderungen der Teilnehmer:innen auseinandergehen. Schließlich sind Frauen in verschiedenen Ländern auch ganz unterschiedlichen Benachteiligungen sowie Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Entsprechend divers fallen ihre Forderungen an Gesellschaft und Politik aus. Und sollte der Frauentag tatsächlich nur für Frauen* von Bedeutung sein? Dazu später mehr.
Natürlich unterscheiden sich die Anliegen des Frauentags nicht nur international – auch im Verlauf der Geschichte änderte sich viel. Anfangs ging es hauptsächlich um das Frauenwahlrecht, nachdem in Berlin 1904 der Weltbund für das Frauenstimmrecht gegründet worden war. Während des ersten Weltkriegs setzen sich viele Frauen im Geheimen für den Frieden ein. Und im Nationalsozialismus war der Frauentag verboten.
Als das Frauenwahlrecht nach und nach in verschiedenen Ländern erstritten worden war, rückten andere Themen zum Frauentag in den Vordergrund. Ob es um bessere Arbeitsbedingungen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Bildung, den Schutz von Frauen vor Gewalt, politische Gleichstellungsarbeit, die Diskriminierung von Migrantinnen oder auch legalen Schwangerschaftsabbruch ging – Frauen waren und sind in vielen gesellschaftlichen Bereichen benachteiligt und hatten stets allen Grund, für ihre Rechte zu kämpfen.
Anti-Patriarchatstag als bessere Wahl?
Doch zurück zum eigentlichen Thema. Heute werden einige Aspekte des Frauentages von Feminist:innen kritisiert. Vielleicht ist euch auch aufgefallen, dass Blumengeschäfte und andere Geschenkeläden zum Frauentag mittlerweile fast genauso beliebt zu sein scheinen wie zum Muttertag oder Valentinstag. Das ist wunderbar für die Betreiber:innen dieser Geschäfte, und wer freut sich nicht über ein kleines Geschenk? Allerdings muss man sich die Frage stellen, ob allein ein paar Blumen dem Charakter des Frauentags gerecht werden. Es geht dabei schließlich nicht darum, einer Frau ein höfliches Dankeschön entgegenzubringen. Sondern darum, die gesellschaftliche und politische Situation dahingehend zu ändern, dass echte Chancengleichheit und Gleichberechtigung hergestellt werden. Überspitzt könnte man also fragen: Sind die Blumen das Dankeschön für all die unbezahlte Care-Arbeit, die die meisten Frauen erledigen? Nicht dafür.
Dr. Emilia Roig kritisiert zudem, dass der Frauentag in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur individuelle Belange von Frauen betrifft. In den Hintergrund rückt dabei jedoch das System, dass all die Ungleichheiten produziert und aufrechterhält. In diesem System werden Geschlechterrollen von Anfang an so reproduziert – und zwar häufig von Männern und Frauen –, dass sie das patriarchale System erhalten. Um es etwas konkreter zu machen: Wenn etwa Mädchen vermittelt wird, sie sollten sich lieber in freundlicher Zurückhaltung üben und sich um andere kümmern, Jungs hingegen, dass eine Prügelei auf dem Schulhof sie zum „echten Mann“ macht, dann wirkt sich das auf ihr späteres Leben und ihr Umfeld aus. Auch aufgrund antiquierter, fixer Geschlechterrollen wählen noch immer mehr Frauen als Männer – tendenziell schlechter bezahlte – soziale Berufe oder erledigen Hausarbeiten und Pflegetätigkeiten. Männern wird vielfach eine toxische Männlichkeit vorgelebt und vermittelt, die schlecht für sie selbst, Frauen und die ganze Gesellschaft ist.
Mit dem Frauentag, so Dr. Roig, könne unter Männern der Eindruck entstehen, es ginge einfach darum, einer Frau etwas Gutes zu tun… ein bisschen wie ein Muttertag für alle Frauen, auch die ohne Kinder. Würde der Tag hingegen als „Anti-Patriarchatstag“ begangen, deute schon die Begrifflichkeit darauf hin, dass es a) um ein System bzw. die Bekämpfung seiner Fehler geht, und b) dass Männer ebenfalls Teil dieses Systems sind und entsprechend auch gegen seine Fehler vorgehen sollten.
Schluss mit dem Frauentag?
Natürlich nicht. Die vorgebrachte Kritik und der Vorschlag für eine Umbenennung sollen dem Frauentag neue Möglichkeiten öffnen. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir die Probleme, mit denen Frauen (und auch Männer) konfrontiert sind, nicht nur als individuelle Probleme verstehen dürfen. Sie rühren her von einem noch immer zutiefst patriarchal geprägten System. Verändern wir das System, verändern sich auch die Lebenswelten der Menschen zum Besseren.