Lange war das Thema Nachhaltigkeit und verantwortungsvolles Investieren ein Nischenthema. Ähnlich wie beispielsweise mit der vegetarischen oder veganen Ernährung war es früher nur für wirklich überzeugte Menschen wichtig, welche Geschäftspraktiken sie mit ihren Handlungen unterstützen. Was früher nur ein Bruchteil der Menschen interessiert hat, ist aber mittlerweile immer mehr im Mainstream angekommen. Die tier- und klimafreundlichere Ernährung durch Pflanzenkost wird immer weniger als ein radikales Öko-Ding für hart gesottene Greenpeace-Aktivist:innen wahrgenommen, sondern vielmehr als eine bewusste Entscheidung für eine verantwortungsvolle Lebensart, die immer mehr Anhänger:innen findet. Und ähnlich verhält es sich hier mittlerweile auch bei nachhaltigen Finanzanlagen und ethischen Investments. Der Markt ist unglaublich stark gewachsen und hat noch viel Potential nach oben.
„Nachhaltigkeit hat sich zu einem zentralen Thema und wichtigen Anlagekriterium an den Finanzmärkten entwickelt.“
Deutsche Bundesbank, 2019
Je nachdem welche Geldanlagen man berücksichtigt, lag das Volumen nachhaltiger Geldanlagen Ende 2018 mit 219,1 Milliarden Euro um mehr als 48 Milliarden Euro über dem Vorjahreswert (28,2 % Zuwachs). Andere Zahlen geben sogar ein Wachstum von 45 Prozent wieder. Das Emissionsvolumen grüner Bonds weltweit hat sich von 2015 bis 2019 versechsfacht auf 257 Milliarden Euro. Und auch die nachfolgende Grafik der Deutschen Bundesbank drückt das Wachstum von nachhaltigen Finanzströmen anschaulich aus.
„Geld regiert die Welt“
Dieser sehr alte Ausspruch, dass Geld die Welt regiert, drückt plakativ aus, dass diejenigen das Sagen haben, die die Finanzströme kontrollieren. Insofern überrascht es, dass viele NGOs und gesellschaftskritische Initiativen, die einen Wandel zu einer besseren Gesellschaft anstreben, lange die Nachhaltigkeit bei Finanzen ausgeklammert haben. Vielmehr wird an die Konsumierenden appelliert (Boykotts etc.), an die Hersteller (Proteste für bessere Arbeitsbedingungen etc.) oder an Nationalstaaten und deren Regierungen (Appell für bessere Regularien etc.).
Verantwortungsvolles Investieren war lange kein Schwerpunkt von NGOs und Aktivist:innen
Vielleicht war das Thema des verantwortungsvollen Investierens zu lange für viele Menschen schlichtweg zu abstrakt oder wurde auch schlichtweg als nicht hip oder cool genug angesehen, um hier mit aller Kraft und öffentlichkeitswirksam einzutreten. Doch dies hat sich in den letzten Jahrzehnten dankenswerterweise immer mehr geändert. Noch in der Veröffentlichung der wohl bekanntesten Nachhaltigkeitsstudie überhaupt, Die Grenzen des Wachstums vom Club of Rome von 1972 (die neben all der berechtigten Kritik bisher recht gut die tatsächlichen, schädlichen Auswirkungen unseres Handelns vorhergesagt hat), sucht man vergeblich nach Begriffen wie Investieren, Finanzströme oder Geld.
Doch nun nach all den Jahrzehnten ergibt sich ein anderes Bild: Im Bericht vom Club of Rome Wir sind dran von 2017 wird nun beschrieben, wie bewusste Investitionsentscheidungen Auswirkungen auf die Zukunft der Umwelt haben. Und das klare Fazit wird gezogen, dass eine sinnvollere Verteilung von privatem Kapital unbedingt nötig ist, um die Ziele des Pariser Klimavertrags wie auch die UN-Entwicklungsziele zu erreichen.
„Nachhaltiges Anlegen ist en vogue“
Saskia Littmann, WirtschaftsWoche vom 04. September 2020, S. 79
Dieser Wandel wurde auch in dem zwei Jahren zuvor abgeschlossenen Pariser Klimaabkommen manifestiert, indem es u.a. heißt, dass die Finanzmittelströme in Einklang mit Maßnahmen gegen den Klimawandel gebracht werden müssen.
Ethisches Investieren kann positiven Wandel begünstigen – nun auch in der Politik angekommen
Dass wir Nachhaltigkeitskriterien brauchen, um die Finanzströme in zukunftsweisende, saubere, ethische und faire Projekte zu leiten, hat sich nun also mittlerweile auch in der Politik herumgesprochen. Während einige Bundesländer in Deutschland unter nachhaltiger Finanzpolitik lediglich von einer Schuldentilgung sprechen, um nachfolgenden Generationen keine Verbindlichkeiten zuzumuten (wie beispielsweise Bayern), schlagen andere Bundesländer einen proaktiveren Weg ein. Wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen (NRW): Bereits seit 2015 gibt NRW Nachhaltigkeitsanleihen heraus, die als sog. Landesschatzanweisungen Wertpapiere anbieten, die ökologische und soziale Landesprojekte finanzieren.
Auch die Bundesregierung hat mittlerweile diesen Trend erkannt und versucht seit September 2020 mit grünen Bundesanleihen nachhaltige Projekte in Deutschland zu unterstützen. Leider muss man sagen, dass Deutschland hier im Vergleich mit anderen Ländern ein träger Nachzügler ist: Polen machte den Anfang vier Jahre früher und besonders Frankreich und Niederlande sind hier führend, aber auch Länder wie Indonesien, Nigeria oder die Fidschi-Inseln haben bereits grüne Anleihen herausgegeben. Nichtsdestotrotz ist es erfreulich, dass Deutschland hier auf den fahrenden Zug aufgesprungen ist.
Nicht zuletzt muss hier aber natürlich auch fairerweise die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) genannt werden. Das Kapital wird hier nämlich von Deutschland und den Bundesländern gehalten, während Deutschland für alle Verbindlichkeiten und Kredite der Bank haftet. Also eine Bank mit staatlichen Geldern, die als größte nationale Förderbank der Welt bei nachhaltigen Investitionen in Deutschland mitunter führend ist.
„Der Kampf gegen den Klimawandel ist ohne privates Kapital nicht zu gewinnen.“
Doris Kramer, Nachhaltigkeitsexpertin bei der KfW
Die EU als grüne Vorreiterin
Am meisten wird aber wohl auf europäischer Ebene an der Thematik gearbeitet. Anknüpfend an das Pariser Klimaabkommen und die UN-Nachhaltigkeitsziele mit der Agenda 2030 hat die EU-Kommission vor drei Jahren einen Aktionsplan für nachhaltige Finanzen entworfen. Aus diesem Aktionsplan und aus dem Bericht zur EU Taxonomie wurden Verordnungen erlassen, die hier zu mehr Klarheit führen sollen. Zum einen wurde eine Offenlegungspflicht bei den Betreibern und Anbietern von nachhaltigen Finanzanlagen verankert und zum anderen wurden und werden klarere Kriterien festgelegt, womit endlich ersichtlicher ist, was tatsächlich nachhaltig ist und was lediglich Greenwashing ist. Seit dem 10. März 2021 müssen Finanzinstitute nun regelmäßig über die nachhaltigen Aspekte ihrer Produkte informieren. Dazu zählt beispielsweise auch die transparente Darstellung, inwiefern Menschenrechte und gewisse Mindeststandards eingehalten werden:
„Bei dem […] Mindestschutz […] [wird sichergestellt,] dass die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, […] und aus der Internationalen Charta der Menschenrechte, befolgt werden.“
Art. 18 (1) Verordnung (EU) 2020/852
Ist das noch grün oder schon grau?
Natürlich sind hier noch viele Fragen offen. Beispielsweise erweist es sich als ein besonders schwieriges Unterfangen allgemeingültige Kriterien aufzustellen bzw. Abstufungen festzulegen, was noch als grün gilt. Zudem sind die Strukturen, Gegebenheiten, Machtkonstellationen und Verbesserungspotentiale von Branche zu Branche und von Nationalstaat zu Nationalstaat höchst unterschiedlich. Hier muss beispielsweise sichergestellt sein, dass es zu keiner generellen Abwertung oder Benachteiligung des Globalen Südens kommt.
Was ist nachhaltig?
Zu all diesen Aspekten kommt noch erschwerend hinzu, dass es auch unterschiedliche Sichtweisen auf vermeintlich allgemeingültige Nachhaltigkeitskriterien gibt. Während zum Beispiel die Atomenergie in Deutschland als risikoreiche und generationsbelastende Energiequelle angesehen wird, gilt sie dagegen im Nachbarland Frankreich (das Land mit dem höchsten prozentualen Anteil nuklear erzeugten Stroms weltweit) als besonders risikoarm und sauber. Auch im weltweiten Vergleich ergibt sich eine sehr ambivalente Bewertung von Atomkraft. Somit wird deutlich, dass verantwortungsvolles Investieren ein schwieriges Unterfangen bleibt und stets unterschiedlich interpretiert werden kann.
Um hier noch ein wenig mehr (grünes) Licht ins Dunkel zu bringen, werde ich in einem weiteren Beitrag aufzeigen, wie man ganz persönlich verantwortungsvoll investieren und damit zu einer besseren Welt beitragen kann. Denn – um abschließend noch einmal meine anfängliche Analogie zur fleischlosen Ernährung zu bemühen – es ist eben nicht Wurscht, wie jede:r einzelne von uns investiert!
FÜR EINE BESSERE WELT
Der Mensch, dieses kluge Wesen
Kann im Gesicht der Erde lesen.
Er sieht die drohende Gefahr,
Spürt die Erwärmung Jahr für Jahr.
Homo sapiens muss aufwachen,
Seine Hausaufgaben machen.
Der Handel mit Emissionen
Wird unser Klima nicht schonen.
Weg vom ewigen Wachstumswahn,
Braucht es einen weltweiten Plan.
Das oberste Gebot der Zeit
Muss heißen Nachhaltigkeit.
Kämpfen wir für Mutter Erde,
Dass sie nicht zur Wüste werde.
Retten wir den herrlichen Wald,
Bewahren die Artenvielfalt.
Statt nur nach Profit zu streben,
Im Einklang mit der Natur leben.
Für die Zukunft des Planeten,
Weg mit den Atomraketen.
Ende der Waffenexporte,
Abrüstung an jedem Orte.
Lasst die weißen Tauben fliegen,
Aggression und Hass besiegen.
Keiner ist des Anderen Knecht,
Für alle gilt das Menschenrecht.
Fromme und Heiden sind vereint,
Uns’re Sonne für alle scheint.
Jeder kann glauben, was er will,
Frieden und Freiheit unser Ziel.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen