Die heutige Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2034 an Saudi-Arabien markiert einen weiteren Tiefpunkt in der Geschichte des internationalen Fußballs – zynischerweise einen Tag nach dem Internationalen Tag der Menschenrechte.
Trotz der massiven Menschenrechtsverletzungen und der fehlenden demokratischen Standards des Gastgeberlandes hat sich die FIFA sowie die nationalen Dachverbände erneut dafür entschieden, wirtschaftliche Interessen über moralische Werte und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten zu stellen. Diese Entscheidung ist ein Symptom einer zutiefst menschenrechtsverachtenden Struktur, die Profit um jeden Preis verfolgt – auf Kosten von Menschenrechten und der Integrität des Sports.
Die menschenrechtliche Bilanz Saudi-Arabiens: Ein Spiel mit der Ignoranz
Saudi-Arabien steht seit Jahren unter internationaler Kritik wegen seiner gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Die Unterdrückung von Frauen, Verfolgung von queeren Personen, Folter in Gefängnissen, fehlende Pressefreiheit und die systematische Einschränkung politischer Freiheiten sowie der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zeichnen ein düsteres Bild. Hinzu kommt der brutale Umgang mit Arbeitsmigrant*innen, die oft unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten müssen – ein katastrophaler Zustand, der im Zusammenhang mit großen Sportveranstaltungen wie der WM kaum verbessert werden dürfte. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Saudi-Arabien auf Platz 166 von 180, noch hinter Somalia oder Russland und sehr weit hinter Katar (Platz 84). Bereits bei der WM in Katar 2022 zeigte sich, wie gravierend solche Missstände sein können, ohne dass echte Reformen durchgesetzt wurden – geschweige denn anhielten.
Die FIFA ignoriert diese Fakten offenbar bewusst. Mit der Vergabe an Saudi-Arabien öffnet sie einem Regime die Bühne, das seine Sportpolitik gezielt als Werkzeug für sogenanntes „Sportswashing“ einsetzt – der Versuch, ein negatives internationales Image durch prestigeträchtige Sportevents zu überdecken. Die Vergabe ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die sich für Werte und Menschenrechte im Sport einsetzen und insbesondere für all diejenigen, die unter den menschenverachtenden Strukturen leiden.
Ein lukratives Geschäft für die FIFA und den DFB
Hinter der Entscheidung steht eine klare Agenda: Profit und Macht. Saudi-Arabien verfügt über nahezu unerschöpfliche finanzielle Ressourcen und ist bereit, Milliarden für die Durchführung der Weltmeisterschaft auszugeben. So wurde der saudi-arabische Ölkonzern Aramco im April 2024 Großsponsor der FIFA (mit einem Börsenwert von umgerechnet rund zwei Billionen Euro ist Aramco eines der wertvollsten Unternehmen der Welt). Außerdem sollen alle Spiele der neuen FIFA-Klub-WM gratis gezeigt werden (trotz Kosten von fast einer Milliarde Euro) – Berichten zufolge finanziert durch Saudi-Arabiens Staatsfonds.
Für die FIFA, deren Ruf seit Jahren durch Korruptionsskandale und intransparente Entscheidungen angeschlagen ist, zählt offenbar nur das Versprechen von Rekordeinnahmen. Der ethische Kompass des Weltfußballverbands scheint endgültig verloren gegangen zu sein. Diese Entscheidung reiht sich ein in eine lange Liste von Skandalen, bei denen die Interessen der Fans, Spieler und unabhängigen Beobachter*innen zugunsten finanzieller Gewinne und Macht geopfert wurden.
Die FIFA wird zugunsten der Menschenrechte nicht auf Profit verzichten.
Mit der Entscheidung hat sich die FIFA auch von bisherige Reformschritten verabschiedet und gezeigt, dass die eigenen Regeln zur Achtung der Menschenrechte eine Farce sind. Eigentlich hätte Saudi-Arabien eine gründliche Risikobewertung durchführen müssen, wie es die Menschenrechtskriterien im Rahmen des FIFA-Verfahrens vorschreiben. Das ist aber nicht geschehen. Die FIFA hat damit endgültig entblößt, was sie mit viel Geld stets versucht zu kaschieren: Die FIFA wird zugunsten der Menschenrechte nicht auf Profit verzichten.
Mit dieser Entscheidung haben aber auch die nationalen Dachverbände klar gegen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflichten verstoßen und sich mitverantwortlich gezeichnet für all die Menschenrechtsverletzungen, die in Saudi-Arabien stattfinden, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausrichtung des Turniers. Nur mit ihren Stimmen war eine Vergabe der WM nach Saudi-Arabien möglich. Der für Deutschland zuständige DFB-Präsident Bernd Neuendorf wischt diese Verantwortung unverhohlen weg und bezeichnet ein Abstimmen gegen Saudi-Arabien als „reine Symbolpolitik“: „Warum Opposition spielen, die völlig zum Scheitern verurteilt wäre?“. Eine richtige Antwort darauf wäre: „Weil menschenrechtsverachtende Regime zu unterstützen schlimmer ist und jede Protestbewegung auch irgendwann mal irgendwo anfangen muss.“ Übrigens hat der DFB auch alle Beschlüsse im FIFA-Rat mitgetragen, welche der WM in Saudi-Arabien überhaupt erst den Weg ebneten. Man kann vieles vorwerfen, aber in dieser Sache sind sie zumindest konsequent. Und kann man von jemanden, der für sein Wirken im FIFA-Rat eine üppige Vergütung von 250.000 US-Dollar erhält, wirklich eine andere Entscheidung erwarten? Wahrscheinlich nicht.
Um die Verantwortung für diese menschenrechtsignorierende Abstimmung nicht alleine teilen zu müssen, hat der DFB-Präsident darauf hingewiesen, dass neben den anderen nationalen Dachverbänden auch das gesamte DFB-Präsidium, sowie die Landes- und Regionalverbände diese Entscheidung einstimmig mitgetragen hätten sowie auch Vertreter der Deutsche Fußball Liga (DFL), also der Zusammenschluss der Vereine der Männer-Fußballligen 1. Bundesliga und 2. Bundesliga. Sollte dies so weit stimmen, wird diese Entscheidung aber auch nicht richtiger, sondern zeigt vielmehr die viel zu tiefsitzende Ignoranz der Verantwortlichen gegenüber der desaströsen Menschenrechtslage in Saudi-Arabien.
Auch stellt sich die Frage, wie eine Ausrichtung in einem solchen Land mit den Ansprüchen der Nationalen Strategie Sportgroßveranstaltungen der Bundesregierung sowie mit der Glaubwürdigkeit deutscher menschenrechtsbasierter Außenpolitik in Einklang zu bringen ist.
Bekannte Märchenerzählung spätestens mit der WM in Katar 2022 entzaubert
Die gängige Märchenerzählung der Befürwortenden, dass mit der WM die Reformen in Saudi-Arabien begleitet werden und damit letztendlich die Menschenrechte unterstützt werden, ist ein ewiges Mantra, das durch die ständigen Wiederholungen nicht wahrer wird. Spätestens die WM im Wüstenstaat Katar hat gezeigt, wie ein Land sich trotz enormen internationalen Drucks nur zu ein paar Reformschritten durchringen konnte, die nach der WM alle wieder mehr oder weniger im Sande verlaufen sind.
Die WM in Katar hat gezeigt, wie ernüchternd wenig erreicht werden kann, wenn man ein solches Turnier mit seiner Teilnahme unterstützt.
Angesichts dieser Entwicklungen bleibt als einzige glaubwürdige Reaktion ein konsequenter Boykott der WM 2034. Länder, Vereine und Spieler, die sich für Menschenrechte und fairen Sport einsetzen, müssen sich diesem absurden Spektakel verweigern. Ein Boykott wäre nicht nur ein Zeichen der Solidarität mit den Unterdrückten, sondern auch ein notwendiger Schritt, um die FIFA und andere Akteure zur Verantwortung zu ziehen. Die WM in Katar hat gezeigt, wie ernüchternd wenig erreicht werden kann, wenn man ein solches Turnier mit seiner Teilnahme unterstützt.
Darüber hinaus sollten Fans ihren Protest deutlich machen, etwa durch Demonstrationen und den Boykott von Sponsoren, die die Veranstaltung unterstützen. Ohne klaren Widerstand wird sich die Spirale aus Korruption und menschenrechtlicher Ignoranz weiterdrehen. Auch aus diesem Grund unterstützen wir als das Nürnberger Menschenrechtszentrum den Offenen Brief gegen die WM in Saudi-Arabien von Fairness United – ein Zusammenschluss von Fans, Gewerkschaften, NGOs und weiteren Akteuren, die sich für die Einhaltung und Achtung von Menschenrechten im Sport aussprechen. Die Liste der Unterzeichnenden wächst kontinuierlich weiter (gerne also mitmachen!) und erfreulicherweise sind nun auch zwei große Fußballvereine hinzukommen: der Hamburger Traditionsverein Altona 93 und der Berliner FSV Hansa 07. So eine klare Positionierung würde man sich auch von anderen Vereinen und Spielern wünschen, die sich jedoch leider viel zu oft wegducken oder auf Anfragen und Briefe nicht reagieren – gerade auch aus der Region.
Boykott als Konsequenz
Die Vergabe der WM an Saudi-Arabien ist ein Desaster für den Fußball und die Menschenrechte. Die FIFA und der DFB hat einmal mehr bewiesen, dass Profitgier für sie über allem steht. Ein entschlossener Boykott kann diese Botschaft jedoch entkräften und ein Signal für einen menschenwürdigen Sport setzen.