Meine Top-Highlights: Nürnberg – Stadt der Menschenrechte

Lange Zeit war Nürnberg vor allem wegen den schrecklichen Verbrechen der Nazi-Zeit bekannt. Reichsparteitage, „Rassengesetze“, Nazi-Bauten, … Doch seit den 1980er Jahren stellt sich die Stadt langsam aber immer sicherer ihrer Vergangenheit und entwickelt zunehmend ein Verantwortungsbewusstsein für die Wichtigkeit der Menschenrechte. Spätestens mit der Unterzeichnung der Europäischen Charta für den Schutz der Menschenrechte in der Stadt bekannte sich Nürnberg explizit zur Achtung der Menschenrechte auf lokaler Ebene:

„Die Stadt ist ein kollektiver Raum und gehört allen Einwohnerinnen und Einwohnern, die auch das Recht haben, hier die Bedingungen für ihre politische, gesellschaftliche und ökologische Entwicklung vorzufinden. Sie übernehmen gleichzeitig die Verpflichtung zur gegenseitigen Solidarität. Die Stadtverwaltung fördert mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln den Respekt vor der Würde aller und die Lebensqualität aller Einwohnerinnen und Einwohner.“

Artikel 1: Recht auf die Stadt

Nürnberg wurde auch mit dem UNESCO-Preis für die Menschenrechtserziehung ausgezeichnet, der an Institutionen, Organisationen und Personen geht, die für die Menschenrechte einen besonders verdienstvollen pädagogischen Betrag leisten. Ebenso erhielt Nürnberg vom Europarat den Europapreis für ihre Bemühungen zur „Förderung von Verbindungen und Verständigung zwischen den Völkern Europas“.

Aber was lässt sich jetzt in der Stadt der Menschenrechte entdecken? Hier folgen meine Top 6 der Highlights, die man unbedingt mal gesehen/miterlebt haben muss! 

1. Highlight: Straße der Menschenrechte

Straße der Menschenrechte
©Corrine Venema-Tucker

Die Straße im Herzen Nürnbergs wurde von dem israelischen Künstler und Menschenrechtskämpfer Dani Karavan erbaut und ist definitiv das Aushängeschild der Stadt bezüglich kunstvoller Manifestierung der Menschenrechte. Man betritt die rund 200 Meter lange Straße durch einen schon fast majestätischen Rundbogen in Weiß. In der Straße selbst sind 27 beeindruckende weiße Säulen errichtet worden, die mit jeweils einem Auszug eines Artikels der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in einer anderen Sprache versehen sind. Erst 2018 feierten viele Nürnberger*innen zusammen mit dem damals 88-jährigen Ehrenbürger Dani Karavan mit einem bunten Geburtstagsständchen das 25. Jubiläum der Straße.

Folgt man der Straße der Menschenrechte gen Süden Richtung Opernhaus, kommt man zur rechten Seite am NSU-Mahnmal vorbei. Diese Gedenktafel soll an die rassistischen Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ erinnern. Drei der zehn Mordopfer lebten und arbeiteten in Nürnberg. Auch Jahre nach den Attentaten bleiben leider viele Fragen ungeklärt – auch bezüglich der Verantwortlichen hier in der Region.

2. Highlight: Doku-Zentrum

Auch ein absolutes Muss für alle Interessierten und Wissbegierigen, die mehr über die NS-Zeit und Nürnbergs Rolle erfahren möchten. Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ist direkt an der von den Nationalsozialisten gebauten aber nie fertig gestellten Kongresshalle des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes angesiedelt und bezwingt die wuchtige Nazi-Architektur mit innovativem und durchdachtem Design. Nicht umsonst wird es jedes Jahr von unzähligen Klassenausflügen an Wandertagen und von Tourist*innen aus aller Welt angesteuert. Und auch nicht grundlos wird diese historische Gegend – das Museum, das ehemalige Reichsparteigelände und das Zeppelinfeld – mit Bestbewertungen auf Tripadvisor als das Highlight Nürnbergs angepriesen. Mittlerweile platzt das Museum aus allen Nähten und man hat sich dafür entschieden, es für 15,3 Millionen Euro auszubauen, sodass man die Besucherzahlen (zuletzt fast 300.000 Besucher*innen) stemmen kann. Damit wird das in Nürnberg am meisten besuchte städtische Museum von 2021 bis 2023 umgebaut. Zwar ist während der Zeit eine vorübergehende Ausstellung vorgesehen, in der sich die Besucher*innen über die Geschichte des Geländes seit der Zeit der Weimarer Republik informieren können. Da aber ein Großteil des Museums ab Januar 2021 nicht mehr zugänglich sein wird, lohnt es sich also noch 2020 hinzugehen! Ganz wichtig: Beim Besuch auch unbedingt genug Zeit mitbringen, um die vielen Infos aufsaugen zu können – und auch, um das umliegende Gelände in Ruhe erkunden zu können!

Derzeit informieren drei Ausstellungen über den Nationalsozialismus:

Hier findest du den kompletten Lageplan des Geländes – ideal für Erkundungstouren!

Absolut empfehlenswert: Wenn du das Doku-Zentrum besuchst bzw. einen Ausflug über das Gelände machen möchtest, solltest du unbedingt überlegen, ob du dich nicht für eine Führung anmelden möchtest. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die erfahrenen Guides von Geschichte für Alle e.V. bestens informiert sind, ihre Führungen echt ansprechend gestalten und ihr Geld zu 100% wert sind! Selbst eingefleischte Nürnberger*innen können hier unglaublich viel Neues erfahren und entdecken. Beispielsweise ist vielen der sogenannte Goldene Saal aus der Nazi-Zeit noch nicht mal bekannt – geschweige denn haben sie ihn schon einmal von innen gesehen.

3. Highlight: Internationaler Nürnberger Menschenrechtspreis

Mit dem Bau der Straße der Menschenrechte 1993 brachte der damalige Nürnberger Oberbürgermeister Peter Schönlein (SPD) die Idee eines Menschenrechtspreises ins Spiel, was auch von der breiten Öffentlichkeit sehr positiv aufgenommen wurde. Seit 1995 wird dieser Preis in Nürnberg alle zwei Jahre an Menschenrechtskämpfer*innen vergeben, die sich herausragend für die Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte einsetzen. Die Auszeichnung kommt mit einem 15.000 € schweren Preisgeld einher und wurde bisher 13-mal vergeben. Zuletzt wurde der chilenische Menschenrechtskämpfer Rodrigo Mundaca im Nürnberger Opernhaus im September 2019 für seinen mutigen Kampf für den freien Zugang zu Wasser in seiner Heimatregion Petorca ausgezeichnet. Seine kämpferische Rede (hier im Original nachzulesen) mit hochgestreckter Faust erschien mir so gar nicht typisch für das klassische Opernhaus – dafür aber revolutionär, bewegend, wichtig und hochaktuell.

Übrigens: Die Preisverleihung findet nicht grundlos immer im September statt. Man möchte sich hier der Vergangenheit stellen, da zu dieser Zeit damals 1935 die „Nürnberger Rassengesetze“ der Nazis verabschiedet wurden.

4. Highlight: Nürnberger Friedenstafel

Eng mit der Straße der Menschenrechte und mit dem Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis ist die Nürnberger Friedenstafel verbunden. Seit 1999 findet dieses kulinarische Bürgerfest nach der Verleihung des Menschenrechtspreises statt. Alle zwei Jahre werden hierbei neue Akzente gesetzt, die den Zeitgeist widerspiegeln und oftmals auch direkt im thematischen Bezug zur Preisverleihung stehen. In der Regel wird das gemeinsame Essen auch mit Gesang und Musik begleitet und erfreut sich großer Beliebtheit bei den Einwohner*innen Nürnbergs. Grundsätzlich können Tische im Vorfeld gegen eine kleine Gebühr reserviert werden und viele bringen ihre eigenen Picknick-Körbe mit. Bei gutem Wetter ein absolutes Muss – auch super geeignet für Kinder!

Apropos: Wusstest du, dass die Friedenstafel sogar im Guinness-Buch der Rekorde steht? Zum 950. Stadtjubiläum Nürnbergs wurde die „längste Friedenstafel der Welt“ mit einer Länge von 7,8 km organisiert, an der rund 40.000 Menschen teilnahmen – begleitet von über 500 Sänger*innen auf mehr als 20 Bühnen quer über die ganze Altstadt verstreut!

5. Highlight: Deutscher Menschenrechtsfilmpreis

6ed7df36cbc2021ca214855a4b61a06d_w1170_h600_cp missio München - Deutscher Menschenrechts-Filmpreis – Verleihung am 8. Dezember
Logo des Deutschen Menschenrechtsfilmpreis

Ein weiteres alle zwei Jahre stattfindendes Highlight ist die Verleihung des Deutschen Menschenrechtsfilmpreises in Nürnberg. Während die Verleihung des Nürnberger Internationalen Menschenrechtspreises mit der anschließenden Friedenstafel immer in den ungeraden Jahren stattfindet, wird der Deutsche Menschenrechtsfilmpreis immer zu den geraden Jahren verliehen. Seit 1998 werden somit alle zwei Jahre besondere Filmemacher für ihre herausragenden Leistungen hinsichtlich menschenrechtsrelevanter Themen ausgezeichnet. Mit über 400 Film-Einreichungen pro Jahr ist der Wettbewerb im europäischen Vergleich einer der größten und renommiertesten seiner Art! Zuletzt wurde der Preis 2018 unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck vergeben und war von wirklich sehenswerten Filmen begleitet (hier findest du alle Meisterstücke). Insgesamt konkurrieren die eingereichten Filme in folgenden sechs Kategorien und sollen damit sowohl Profis wie auch Amateure ansprechen:

  • Langfilm
  • Kurzfilm
  • Magazinbeitrag
  • Hochschule
  • Amateur
  • Bildung

Unbedingt vormerken: Am Samstag, den 5. Dezember 2020 findet die diesjährige Preisverleihung in der Nürnberger Tafelhalle zum zwölften Mal statt!

6. Highlight: Saal 600

Der Ort, an dem die Nazis – zumindest einige wenige von ihnen – nach Ende des 2. Weltkrieges Rechenschaft ablegen mussten. Hier im Saal 600 fand der Hauptkriegsverbrecherprozess vor dem Internationalen Militärgerichtshof statt, sowie die zwölf „Nachfolgeprozesse“ vor US-amerikanischen Militärtribunalen. Mit diesen Prozessen ging der Schwurgerichtssaal im Nürnberger Justizpalast in die Geschichtsbücher weltweit ein und das Verfahren hatte maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Völkerrechts bis in die Gegenwart. Da der Saal 600 noch heute als Gerichtssaal verwendet wird, ist eine Besichtigung nur an verhandlungsfreien Tagen möglich. Die Tage mit der höchsten Wahrscheinlichkeit zur Besichtigung sind freitags, samstags, sonntags und montags. Oben im Dachgeschoss können Gäste die interessante Informations- und Dokumentationsstätte Memorium Nürnberger Prozesse bewundern und mehr über die Angeklagten und ihre schrecklichen Verbrechen erfahren. In diesem Zusammenhang muss auch unbedingt die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien hervorgehoben werden, die sich der Förderung des Völkerstrafrechts und der Menschenrechte verpflichtet hat. Ihre regelmäßig organisierten Fachtagungen und hochkarätig besetzten Konferenzen haben eine Strahlkraft weit über Nürnberg hinaus entwickelt.

Für besonders Interessierte: Hier kannst du dich in den Newsletter MemoriumNews eintragen, sodass du stets bestens über aktuelle Events informiert und mit interessanten Geschichtsfakten versorgt wirst!

Nice to know: Aktuell wird ein neuer Versuch unternommen, den Saal 600 als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen. Da die Bewerbung aber erst für 2024 angestrebt wird, kann sich das noch ein wenig herauszögern…

Geheimtipp: Straße der Kinderrechte

Kinder haben das Recht zu spielen,
sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein.“

(Art. 31, UN-Kinderrechtskonvention)

Neben diesen sechs Top-Highlights, die keiner verpassen sollte, wenn er in der Stadt der Menschenrechte ist, gibt es selbstverständlich noch zahlreiche andere Orte, die hier jetzt nicht genannt wurden. Nichtsdestotrotz möchte ich einen Ort nicht unerwähnt lassen: die Straße der Kinderrechte! In neun Stationen wurde im Nürnberger Stadtpark ein Arsenal angelegt, an dem Kinder spielerisch mehr über die Menschenrechte und damit auch mehr über ihre eigenen Kinderrechte erfahren können. Die Straße der Kinderrechte ist selbst vielen Nürnberger*innen nicht bekannt und sogar auf Google findet man hierzu keinen Eintrag… Am schnellsten findest du es, wenn du einfach „Weltkugel Nürnberg“ bei GoogleMaps eingibst.

Zur schnellen Übersicht: Hier kannst du dir den Lageplan herunterladen.

Fazit

Bildergebnis für Logo der Kinderrechte"
Logo der UN-Kinderrechtskonvention

Nach all den Highlights wird deutlich, dass sich Nürnberg nicht umsonst mit dem Titel „Stadt der Menschenrechte“ schmückt. Mit einem eigenen Menschenrechtsbüro (deutschlandweit einzigartig!), einer Anti-Diskriminierungsstelle, einem Frauenbüro und sogar mit einem Männerbeauftragten (der erste in ganz Deutschland!) setzt sich auch die Stadtverwaltung für eine gelebte Umsetzung der Menschenrechte ein. Ebenso werden mit tollen Preisen weitere Menschenrechtsinitiativen unterstützt und ausgezeichnet (z. B. Mosaik-Jugendpreis und der Unternehmenspreis für diskriminierungsfreie Unternehmenskultur). Aber auch die Bürger*innen setzen sich mit zahlreichen Projekten und Initiativen für ein besseres Miteinander ein. Der Runde Tisch Menschenrechte koordiniert beispielsweise viele der ehrenamtlichen Organisationen in Nürnberg, die einen großen Teil dazu beitragen, den Titel der Stadt mit Inhalt zu füllen. Nur mit einer breiten Bürger*innenbewegung kann und darf Nürnberg als eine Stadt der Menschenrechte bezeichnet werden. Um abschließend exemplarisch (!) wenige Organisationen zu nennen, die hier einen wichtigen Beitrag leisten:

Das waren jetzt meine persönlichen Highlights von denen ich finde, dass man sie nicht verpassen sollte, wenn man in Nürnberg, der Stadt der Menschenrechte und des Friedens, verweilt. Teilst du meine Liste? Schreib doch in die Kommentare, welche deine Highlights sind und ob du vielleicht noch irgendetwas auf meiner Liste vermisst hast!

Felix arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Bay. Landtag. Als Politikwissenschaftler setzt er sich außerberuflich vor allem mit den Herausforderungen und Chancen von Menschenrechten in einer digitalisierten Welt auseinander. Er betreut die Social-Media-Arbeit des Nürnberger Menschenrechtszentrums.

One thought on “Meine Top-Highlights: Nürnberg – Stadt der Menschenrechte

  1. Glückwunsch zur Premiere von MENSCHENRECHTE-DER BLOG.
    Das sieht richtig gut aus und verspricht interessante Lektüre.
    Danke für euere tolle Initiative und viele Leser/User bzw. Autoren/Blogger.

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