In einer der ersten Sitzungen unseres NMRZ-Blogteams machte ich den Vorschlag, einen Artikel über Mansplaining, einem Portemanteau-Wort aus Englisch „man“ (Mann) und „explain“ (erklären), zu verfassen. Ich bekam interessante Reaktionen. Die Teilnehmer wussten nicht so ganz, was sich hinter dem Begriff verbirgt, waren aber sehr aufgeschlossen mehr darüber zu lernen. Die Teilnehmerinnen dagegen pflichteten mir mit ihrem Kopfnicken bei. Klar, sie wussten genau wovon ich rede. Somit war ich fest entschlossen über dieses Thema ausführlich zu schreiben.
Als ich mich ein paar Tage später ans Werk machen wollte, begann ich jedoch zu grübeln. Warum und für wen würde ich den Begriff erklären? Frauen wissen schon lange, was Mansplaining ist, wenngleich das Wort an sich erst vor ein paar Jahren entstand. Außerdem gibt es bereits hier, hier und hier hervorragende Erklärungen. Es besteht somit kein triftiger Grund, warum ich meine Erörterungen ebenfalls noch hinzufügen muss. Und Männer? Bei Männern fragte ich mich, warum ihnen die Arbeit abgenommen werden sollte zu recherchieren, was Mansplaining ist und warum es schlecht ist. Ein Hinweis, dass Männer es unterlassen sollen Frauen unaufgefordert etwas zu erklären, sollte genügen, damit sie ihre Hausaufgaben machen, wenn sie es wirklich ernst meinen mit der Gleichberechtigung.
Aber worüber wollte ich dann schreiben? Das Thema gänzlich zu verwerfen kam nicht in Frage. Dafür ist es zu wichtig. Ich grübelte also weiter. Plötzlich war mir Mansplaining allein zu wenig, denn das ist nur ein Symptom eines grundlegenden Problems: Alltagssexismus. Mir fielen etliche Situationen ein, in denen Männer eingeschnappt waren, weil ich sie kritisierte, ich nicht ihrer Meinung war oder ich versucht habe ihnen zu schildern, wie viel anders das Leben einer Frau sein kann und warum wir eben doch noch Feminismus brauchen. Grundsätzlich wurde ich so dargestellt als wäre ich zu verkrampft oder die Sache zu ernst nehmen und sowieso alles komplett falsch verstehen. Das erleben Frauen weltweit täglich.
Dieser männliche Abwehrmechanismus nennt sich übrigens Gaslighting. Das ist eine Form psychischer Aggression bis hin zu Gewalt durch emotionale Manipulation, bei der die Wahrnehmung des Opfers so oft und so weit infrage gestellt wird, dass die Person anfängt, die Realität anzuzweifeln. Dadurch misstraut das Opfer auch sich selbst und beginnt die eigenen Gefühle sowie Gedanken zu invalidiern. Es kann ganz banal anfangen, indem zum Beispiel ein Mann einer Frau vorwirft, sie sei unfreundlich, nur weil sie eine WhatsApp-Nachricht sachlich und ohne Emojis verschickt bis hin zu toxischen Beziehungen, in denen der Partner seine Partnerin ständig angiftet, um sie einzuschüchtern und gefügig zu machen. Letzteres kann mitunter zu sexuellem Missbrauch führen. In allen Fällen ist es ein unbewusster oder bewusster Ausdruck von männlichem Machtgebaren.
Sexismus im Alltag
Es wird deutlich, dass die Probleme nicht nur durch die klassischen Schlagzeilenmacher wie Vergewaltiger, Frauenschläger, machtgeile Politiker und Prominente verursacht werden, sondern auch durch Männer, denen Frauen im Alltag begegnen, also Verwandte, Kollegen, Partner und Kumpels. Diese würden nicht einmal im Traum Gewalttaten an Frauen verüben. Im Gegenteil. Sie können sich sogar politisch in den „richtigen“ Parteien engagieren, sich gar selbst als Feministen bezeichnen und ohne Murren und Knurren 50% oder mehr der häuslichen Aufgaben übernehmen. Trotzdem reicht das allein nicht. Auch sie müssen entschiedener gegen Frauenfeindlichkeit eintreten und damit bei sich selbst anfangen. Wenn es zehn schlechte Männer gibt und hundert gute Männer, aber die guten Männer, denen zwar bewusst ist, dass Sexismus falsch ist, aber absolut nichts oder zu wenig dagegen machen, dann sind es am Ende eigentlich 110 schlechte Männer.
Was also können Männer tun, um besser zu werden? Ein passender Anfang wäre, Frauen einfach mal zuzuhören und nicht gleich bei weiblicher Kritik in eine Abwehrhaltung zu gehen. Dabei möchte ich erwähnen, dass der Satz, nicht alle Männer seien so, wenn eine Frau von ihren schlechten Erfahrungen erzählt, grundsätzlich eskalierend statt deeskalierend wirkt. Das nur am Rande bemerkt.
Um meine Punkte zu verdeutlichen, möchte ich hier Beispiele aus meinem eigenen Leben anbringen, um zu zeigen, wann sich Männer geschickter hätten verhalten können, wären sie einfach ruhig geblieben und hätten nachgedacht.
Im vergangenen Winter postete ich einen WhatsApp-Status, dass mein Tag eher bescheiden losging. Ein Bekannter fragte nach, was denn der konkrete Grund sei. Ich antwortete ihm: Chaos im Bus, es regnete ununterbrochen und mein Knie schmerzte von einem kleineren Unfall, den ich zwei Wochen zuvor auf der heimischen Außentreppe hatte. Nicht mehr und nicht weniger. Darauf schrieb er mir eine lange Nachricht, dass Kälte im Zusammenhang mit Schmerzen genau sein Thema sei, weil er ein begeisterter Läufer ist, und referierte ausführlich darüber. Ferner wünschte er mir eine gute Besserung. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig darüber nachgedacht habe, ob ich ihn auf sein Mansplaining aufmerksam machen möchte oder nicht. Ich tat es. Er war erst verwundert; forderte mich auf, ihm das genauer zu erklären. Auch das tat ich. Dann lief er zur Höchstform auf, indem er mir erklärte, was Mansplaining ist, ich es also besser wissen müsste, und was er mache, sei nur Smalltalk. Die klassische Reaktion. Da es mir mittlerweile doch zu blöd wurde, lachte ich ihn nur aus und beließ es dabei. Nicht einmal eine Stunde später meldete er sich kleinlaut bei mir mit der Nachricht, eine Kollegin hätte soeben seinen Kommunikationsstil kritisiert und er müsse ihn vielleicht nun doch überdenken. Ich hoffe, er bessert sich und denkt zweimal darüber nach oder fragt zumindest vorher, wenn er einer Frau einen Vortrag halten möchte. So würde er sich sowie anderen eine Menge Ärger ersparen.
Zweites Beispiel: Es ist ein kalter, aber heimeliger Winterabend in meinem Lieblingspub mit meinem Freundkreis. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird über Gott und die Welt geredet. Natürlich werden Witze gerissen. Ein Kumpel von mir scherzt, wenn Frauen besser Auto fahren würden, dann wären Frauenparkplätze obsolet. Hier sehe ich leider rot. Ich verbessere ihn. Wenn Männer Frauen nicht sexuell überfallen würden, dann erst würden Frauenparkplätze der Vergangenheit angehören. Betretenes Schweigen folgt. Er versucht sich zu verteidigen, da es nur ein Spaß sei. Allerdings ist er nicht lustig. Ob er einsichtig wurde, ist fraglich. Befreundet sind wir noch immer.
Letztes Beispiel: Im Oktober 2017, kurz nachdem die #MeToo-Debatte begann, fuhr ich abends von Nürnberg mit der S-Bahn nach Hause. Es war schon dunkel und mit mir stieg nur noch ein Mann aus, der hinter mir ging. Automatisch wurde ich aufmerksamer als sonst während meines Heimwegs vom Bahnhof. Hörte, ob die Schritte hinter mir schneller wurden. Schaute, welche Fenster offen waren und in welchen noch Licht brannte, falls ich Hilfe bräuchte. Lief selbst etwas schneller, damit ich eher daheim bin. Zum Glück passierte absolut nichts. Er ging seinen Weg und ich ging meinen. Aber das wusste ich vorher nicht. Es ist diese immerwährende Angst in solchen Situationen, die Generationen von Frauen durchleben. Oft wird diese als Paranoia abgestempelt, trotzdem ist sie mehr als berechtigt.
Als ich diese Geschichte Jahre später gegenüber einem ehemaligen Kollegen erwähnte, meinte er nur, dass es sehr bedauerlich sei, aber dass Männer ebenfalls überfallen werden. Ob dieser Antwort war ich bass erstaunt. Mir fehlten die Worte. In diesem Fall habe ich nichts mehr gesagt, weil es mir zu müßig war und ich weiterarbeiten wollte. Ein bisschen Respekt hat er jedoch verloren, denn das war Whataboutism pur.
In all diesen Situationen wäre es besser gewesen, wenn der Mann sich nicht sofort verteidigt oder gerechtfertigt hätte, sondern einfach nachgedacht hätte über das, was eine Frau ihm mitteilen wollte. Eigentlich hätten sie froh sein müssen, dass eine Frau sich die Zeit genommen hat, ihnen zu vertrauen und sie so schätzt, dass man sie durch konstruktive Kritik zu einem besseren Menschen machen wollte.
Nachhaltige Verbündete
Ein geeigneter Ansatz, wie Männer Frauen mehr Raum geben können, ist durch Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf entstanden. Die zwei Entertainer gewannen in einer vom Fernsehsender/ihrem Arbeitgeber ProSieben ausgetragenen Gameshow, in der sie gegen ihn antraten, 15 Minuten Sendezeit auf diesem Fernsehkanal, die sie ohne dessen Einwände gestalten konnten. Die Federführung dieses Zeitfensters überließen sie der Autorin und Radiomoderatorin Sophie Passmann, die die temporäre Ausstellung „Männerwelten: Museum of Masculine Art“ kuratierte. Darin wurde unter anderem gezeigt, welche expliziten Fotos von ihren Genitalien, sogenannte Dickpics, Männer an Frauen unaufgefordert schicken und was Frauen sowie Mädchen bei ihrer Vergewaltigung anhatten.
Gleichwohl ist ebenfalls hier Kritik angebracht, der ich mich anschließen möchte. Zum einen, weil die zwei Männer im medialen Echo mehr gelobt worden sind, anstatt den Frauen weitere Aufmerksamkeit zu geben, dass sie die ganze Arbeit für den Beitrag geleistet haben und ihre Traumata öffentlich teilten, vielleicht sogar erneut durchlebten. Zum anderen, wenn die Leistung der Frauen erwähnt wurde, dann bloß, um die mangelnde Intersektionalität zu thematisieren, wenngleich dies völlig zurecht bemängelt wird. Auch mir ist beim Schreiben dieser Zeilen bewusst, dass ich als weiße cishet identifizierende Frau nur aus meiner Sicht den Appell formulieren kann, Männer sollen einfach mal ruhig sein und nachdenken. Wenn sie sich dazu als eine Art Autorität äußern wollen, dann bitte gegenüber anderen Männern, um ihnen nahzubringen, warum wir Feminismus noch brauchen. So können sie als verlängertes Sprachrohr von Frauen wahre Verbündete sein. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Männer Frauen erst richtig zuhören müssen, bevor ein konstruktiver Dialog zwischen ihnen entsteht. Meine Aufgabe ist es wiederum, Raum und Platz zu schaffen für BIPoC, der LGBTQIA+ Community, Menschen mit Behinderung sowie alle anderen Diskriminierten und Marginalisierten, indem ich Teil meiner Macht und Privilegien abgebe, so dass sie ebenfalls vollumfängliche Gleichberechtigung haben.Das heißt für mich, dass ich ihnen den Raum gebe, den ich erschaffe, wenn ich sage: Halt die Klappe, Mann!
Kann es nicht auch Gaslighting sein, einem Mann gleich Mansplaining vorzuwerfen? Ein Mann legt ein Fehlverhalten an den Tag und anstelle es ihm zunächst einmal persönlich zu unterstellen, wird ihm gleich ein systematisches Fehlverhalten aufgrund seines Geschlechts unterstellt. Vielleicht gilt auch für Frau wie Mann der Appell in der Überschrift: Sei ‚mal nicht so empfindlich.
Hallo Thomas! Danke für deinen konstruktiven Kommentar. Natürlich kann der umgekehrte Fall mal eintreten, aber leider handelt es sich in den überwiegenden Fällen tatsächlich um Mansplaining. Frauen haben da mittlerweile mehr als genug Erfahrung gesammelt, Mansplaining von ganz normalen Unterhaltungen zu unterscheiden. Da sollten Männer wirklich Frauen einfach mal glauben, anstatt sich gleich angegriffen zu fühlen. Vor allem ist es etwas, das Frauen womöglich nicht sofort und direkt ansprechen möchten, eben um Konflikte zu vermeiden, weil es einfach zu mühselig ist und man das Gefühl hat, es würde eh nichts bringen. Hier bringe ich gerne das Stichwort „emotional Labor“, zu Deutsch „emotionale Arbeit“ an. In meinem Text habe ich es auch persönlich angesprochen und das Verhalten des Mannes war leider durch die Bank eben jene Abwehrhaltung. LG, Maria
Ein sehr schwacher Blog, der eher darauf schließen lässt, dass es sich bei der Bloggerin eher um eine Frau handelt, die sich bei jeder besten Gelegenheit aufspielen und auf den Zug mit aufspringen möchte. Sorry, aber vieles davon setzt eine überzogene Ich-bezogene Sichtweise zu Grunde.
Aber da darf man eben auch nicht vergessen, dass es sich nur um einen Blog handelt und Gott sei Dank nur eine von vielen Meinungen widerspiegelt.
Mit so einer Person würde ich meinen Alltag nicht bestreiten wollen. Das würde nur unnötigen Ärger bedeuten.
Nur weil du eine Frau bist, muss nicht gleich alles darauf ausgelegt und negativ gemeint sein. So wichtig ist das Geschlecht dann doch nicht. Am Ende sind wir alle nur Menschen.
Shalom et au revoir.
Hallo Alex! Ich gebe dir recht, dass Geschlecht nicht so wichtig ist, aber solange noch aufgrund dessen diskriminiert wird, dann muss es leider noch immer thematisiert werden. Bis dieses Problem und viele andere Diskriminierungsformen der Vergangenheit angehören, werden leider nicht alle Menschen als Menschen wahrgenommen.
Der gesamte Blog ist im Übrigen vom Nürnberger Menschenrechtszentrum (NMRZ) kreiert. Vielleicht sind da trotzdem Beiträge, die mehr in Linie mit deinem Weltbild und deinen Erfahrungen sind oder du schlichtweg interessanter findest. LG, Maria
Dass es da bessere Beiträge gibt, die zum allgemeinen Weltbild passen, ist ja nicht schwer 🙂
Dieser Beitrag wirkt eher nach folgendem Szenario:
Sie: *niest*
Er: *reagiert nicht*
Sie: Boah, nur weil ich eine Frau bin, musst du mich nicht ignorieren!
Oder folgendes Szenario:
Sie: *niest*
Er: Gesundheit!
Sie: Boah, nur weil ich eine Frau bin, hast du mich nicht anzuquatschen!
Egal wie, der Bloggerin kann man es nie Recht machen. Von daher eher die Frage: will man der Bloggerin überhaupt gerecht werden? Nein, ich denke nicht.
Also zunächst muss festgestellt werden, dass es kein allgemeines Weltbild gibt, sondern es viele verschiedene gibt. Ich würde sogar behaupten, es gibt so viele wie Menschen auf der Welt. Aber das ist wieder eine andere Debatte.
Es tut mir leid, dass du den Text so interpretierst. Es ist absolut in Ordnung, wenn man nicht den Anspruch erhebt, mir gerecht zu werden.
Ich weiß es fällt schwer, wenn man auf Fehlverhalten aufmerksam gemacht wird und es ist sicherlich keine angenehme Erfahrung – sie kann sogar schmerzhaft sein. Ich glaube das Problem bei dieser speziellen Debatte ist, dass Männer es nicht wirklich gewohnt sind, sich unwohl zu fühlen. Deswegen ist die immerwährende Diskussion um Feminismus und Sexismus so mühselig mit Männern zu führen, die nicht aktiv antisexistisch sind. Es ist nämlich unangenehm und fühlt sich an wie Unterdrückung und Diskriminierung für die. Aber dieses Unwohlsein führt auch zu positiver Veränderung. Es gibt also einige unangenehme Wahrheiten, die von Männern wahrgenommen werden müssen, um diese positive gesellschaftliche Veränderung zu bewirken. Das bedeutet, dass Männer ebenfalls freier leben können, da sie auch Opfer toxischer Männlichkeit sind. Dazu hat meine Kollegin vor einigen Wochen im März einen sehr passenden und empfehlenswerten Blogbeitrag verfasst.
Spannender Beitrag, vielen Dank!
Ich kann viele dieser Erfahrungen leider genauso bestätigen. Besonders wie mühsam es ist Männer darauf hinzuweisen. Meistens kommt als erste Reaktion erstmal eine Verneinung, anstatt, dass sie mal über das Gesagte nachdenken und sich ein bisschen in Selbstreflexion und -kritik üben.