„¡Ya es ley!“ – „Es ist Gesetz!“ Diese Worte waren nach der Abstimmung in Argentiniens Senat am Mittwoch vielerorts im Land zu hören und zu lesen. Mit 38 zu 29 Stimmen sprachen sich Abgeordnete unterschiedlicher Parteien für ein neues Abtreibungsgesetz in Argentinien aus. Doch warum war das überhaupt nötig?
„Problem der öffentlichen Gesundheit“
Präsident Alberto Fernández, selbst Befürworter der Gesetzesänderung, bezeichnete das Thema Abtreibung als „Problem der öffentlichen Gesundheit“. Denn nach dem alten Gesetz aus dem Jahr 1921 durften schwangere Personen nicht frei darüber entscheiden, ob sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollten oder nicht. Nur nach Vergewaltigungen stand ihnen diese Option offen oder sofern ihr eigenes Leben in Gefahr war. Diese Beschränkungen hatten zur Folge, dass pro Jahr geschätzte 300.000 bis 500.000 heimliche Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt wurden – mit teils schwerwiegenden Konsequenzen für die Schwangeren: Tausende starben nach missglückten Abbrüchen, viele mehr trugen gesundheitliche Schäden davon.
Proteste weltweit
In den vergangenen Jahren waren Gesetze rund um das Thema Schwangerschaftsabbruch immer wieder heiß umkämpft, und zwar in Ländern weltweit. In unserem Nachbarland Polen etwa gingen vor einigen Wochen zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen das abermals verschärfte Abtreibungsverbot zu protestieren. Aufgrund der restriktiven Gesetzeslage, mit der Frauen de facto das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper abgesprochen wird, lassen Menschenrechtsorganisationen zufolge jährlich bis zu 200.000 Polinnen Abtreibungen illegal vornehmen oder fahren dafür ins Ausland.
Im vergangenen Jahr machte Irland Schlagzeilen, als mit überraschend starker Befürwortung das besonders strikte Abtreibungsgesetz des Landes gelockert wurde. Schon im Jahr 2016 hatte der UN-Menschenrechtsausschuss Irland gerügt, da es einer Frau nicht gestattet war, einen Abbruch in ihrem Heimatland vornehmen zu lassen, obwohl ihr Kind nicht lebensfähig gewesen wäre. Das irische Abtreibungsrecht gehörte damals zu den restriktivsten weltweit.
Und auch hierzulande wird immer wieder kritisiert, dass die Gesundheitsversorgung von Schwangeren beeinträchtigt ist, wenn sie beispielsweise 150km weit fahren müssen, um eine Praxis oder ein Krankenhaus zu finden, wo überhaupt Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden.
Feministischer Protest
Doch zurück nach Argentinien: Immer wieder gingen hier in den vergangenen Jahren mehrheitlich weibliche Demonstrierende auf die Straße, um für feministische Themen zu kämpfen. Unter dem Slogan „Ni una menos“ („Nicht eine [Frau] weniger“) protestierten seit Jahren teils hunderttausende Menschen gegen Gewalt an Frauen und für mehr Gleichberechtigung. Nicht ohne Grund: Argentinien hat eine enorm hohe Femizidrate; alle 30 Stunden stirbt eine Frau aufgrund geschlechtsspezifischer Gewalt. Von Argentinien aus verbreitete sich der Slogan „Ni una menos“ in die ganze Welt. Mit ihrer Kampagne für eine kostenlose, legale und sichere Abtreibung konnten die Aktivist:innen nach jahrelanger Mobilisierung nun einen bahnbrechenden Erfolg verbuchen. Ihr Symbol, ein grünes Halstuch, wurde zum Symbol der Selbstbestimmung.