Am 15. März werden in Nürnberg die 70 Stadträte sowie der Oberbürgermeister* neu gewählt. Zur Wahl stellen sich Kandidaten verschiedener Parteien entlang des gesamten politischen Spektrums. Auch Kandidaten rechter Parteien treten an und haben eine reelle Chance, in der kommenden Legislaturperiode in den Stadtrat einzuziehen. Bereits seit 2014 ist die Bürgerinitiative Ausländerstopp mit zwei Sitzen im Nürnberger Stadtrat vertreten. Die Ansichten und Äußerungen der NPD-nahen Initiative stehen immer wieder im Widerspruch zu den Menschenrechten. Nun, im Jahr 2020, könnte auch die AFD Vertreter in den Stadtrat entsenden. Mit welchen Forderungen sie dort auftreten werden, lässt sich bereits jetzt aus dem Wahlprogramm ablesen. Darin enthalten sind unter anderem Thesen, die Menschen mit Migrationshintergrund diffamieren, die Inklusion von Menschen mit Behinderung ablehnen oder die Meinungsfreiheit angreifen. Doch zunächst ein Schritt zurück: Um zu verstehen, warum populistische Parteien gefährlich sind für eine pluralistische, auf Menschenrechten basierende Gesellschaft, ist es wichtig zu verstehen, mit welchen Mitteln sie agieren und inwieweit sie sich von anderen Parteien unterscheiden.
Der eine Wille des Volkes?
Den Begriff Populismus einzugrenzen ist nicht einfach, da es keine abschließende Definition von Populismus gibt. Ebenso gibt es nicht „den einen“ Populismus, sondern viele verschiedene Formen. Es handelt sich vielmehr um einen Politikstil, also die Art und Weise wie Politik gemacht wird, anstatt um eine Ideologie, die bestimmte Inhalte und Werte vertritt. Zudem ist Populismus auch kein Phänomen, das ausschließlich dem rechten politischen Spektrum zugeordnet werden kann. Sprachlich leitet sich der Begriff vom lateinischen Wort „populus“ ab und bedeutet so viel wie Volk. Merkmale dieses Politikstils sind das kritische Auseinandersetzen mit etablierten (staatlichen) Institutionen, die Forderung nach mehr direktdemokratischer Mitbestimmung, beispielsweise in Form von Volksentscheiden, sowie eine volksnahe Politik, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert und diese öffentlich artikuliert. Merkmale, die essentiell sind für eine Demokratie. Dennoch ist Populismus in der öffentlichen Wahrnehmung etwas Negatives. Warum ist das so? Problematisch ist die radikale Übersteigerung dieser Merkmale und Forderungen. Es geht also nicht darum, konstruktive Kritik am Handeln staatlicher Akteure zu üben, sondern darum, sie gänzlich in Frage zu stellen. Auch zielt Populismus nicht darauf ab, verschiedene Interessen abzuwägen. Vielmehr behaupten populistische Parteien, „den einen“ Willen des Volkes zu kennen – und diesen als einzige Partei oder Organisation zu vertreten. Und hier beginnt die Problematik eines populistischen Politikstils: Wer behauptet, es gäbe den einen einzigen Willen, der schließt die Meinungen und Bestrebungen Anderer rigoros aus. Dies steht im Widerspruch zu einer pluralistischen Gesellschaft, in der jede Stimme Gehör findet – und damit auch zu den Menschenrechten.
Warum Populisten Erfolg haben
Die Meinungen bestimmter Personengruppen auszuschließen ist meist nur eine Vorstufe dazu, diese Gruppen in ihrer Gesamtheit auszuschließen. Und der Schritt von rein rhetorischen Äußerungen, in denen beispielsweise bestimmte gesellschaftliche Gruppen für Missstände verantwortlich gemacht werden zu tatsächlichen gewaltsamen Handlungen gegen diese Gruppen ist nicht groß – das hat die Geschichte gezeigt. Doch auch rein populistische Parolen, können bereits den Nährboden bieten für Ausgrenzung. Solche Äußerungen gibt es auch in Nürnberg. Ein Blick in das Wahlprogramm der hiesigen AFD macht deutlich, dass beispielsweise ein Zusammenhang fehlender Wohnraum auf eine verstärkte Migration zurückgeführt wird oder eine ganze Bevölkerungsgruppe (Migranten) aufgrund der Handlungen einzelner kriminalisiert wird. Ebenso wird das Recht von Menschen mit Behinderung auf Inklusion, wie es in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben ist, abgelehnt. Oder es wird behauptet, man sei die einzige Partei, die sich um die Belange der Bürger kümmert. Dies sind nur einige Beispiele. Aus menschenrechtlicher Perspektive ist das äußerst besorgniserregend und es ist die Pflicht jedes Einzelnen, solche Forderungen zu hinterfragen und entschieden zu widerlegen. Denn der Blick in die 16 Landesparlamente, oder in die europäischen Nachbarländer, wie Großbritannien, Frankreich, Dänemark oder Italien zeigt, dass Populisten Erfolg haben. Warum? Weil sie Themen ansprechen, die etliche Bürger beschäftigt. Sei es die Sorge vor einem ökonomischen Abstieg, das sinkende Vertrauen in Organisationen wie die Europäische Union oder die Frage ob es gelingt, Migranten bestmöglich zu integrieren. Allerdings ziehen Populisten daraus die falschen Schlüsse. Integration, Inklusion, die kritische Auseinandersetzung mit staatlichen Organen oder die Suche nach zukunftsfähigen Lösungen, um soziale Sicherheit zu gewährleisten sind Herausforderungen, die sich nicht von heute auf morgen bewältigen lassen und an denen auch nicht einzelne Bevölkerungsgruppen Schuld haben.
Wenn aus Worten Taten werden
Etliche rechtspopulistische Parteien weisen eine klare Nähe zu rechtsextremistischen Gruppierungen auf, die offen rassistisch sind. Beispiele sind die Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna), die ihre Wurzeln in der rassistischen Organisation “Bevara Sverige svenskt” („Schweden soll schwedisch bleiben”) haben oder die FPÖ, welche ursprünglich als nationalsozialistische Partei gegründet wurde und heute als Prototyp des europäischen Rechtspopulismus gilt. Die Grenze zwischen Populismus und Extremismus ist oft fließend. Auch weil Hassrede im Internet schnell eine Eigendynamik entwickelt und zu Hetze wird. Das führt dazu, dass zunächst einzelne Bevölkerungsgruppen aus rassistischen Motiven dämonisiert und für Missstände verantwortlich gemacht werden und so sukzessive ein Feindbild aufgebaut wird. Der Schritt zu gewaltsamen Handlungen ist dann nicht mehr groß. Wie schnell aus Worten Taten werden, zeigen etliche Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: Sei es der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Sommer 2019, der Anschlag auf eine Synagoge in Halle im Herbst 2019 oder zuletzt der Angriff auf eine Shisha-Bar in Hanau. Alle Taten waren rassistisch motiviert und sind nur die Spitze des Eisbergs.
Einstehen für Menschenrechte
Mitte März wird sich zeigen, ob Populisten mit ihren Forderungen auch bei der Kommunalwahl in Nürnberg Erfolg haben. Als Bürger der Stadt der Menschenrechte ist es unser aller Aufgabe, sich für eine pluralistische Gesellschaft stark zu machen und jenen, die versuchen, diese zu spalten, entgegenzutreten und ihnen mit fundierten Argumenten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Rassistische Äußerungen sollten keinen Platz in unserer Stadt haben – weder im Stadtrat, noch am Arbeitsplatz, in der U-Bahn oder in Bars und Clubs.
*Zur besseren Lesbarkeit wird im Text auf Gendern verzichtet, gemeint sind jedoch stets alle Geschlechter.
Alice hat Politikwissenschaften und Öffentliches Recht an der FAU in Erlangen studiert. Neben ihrer Arbeit in der PR-Branche engagiert sie sich seit einigen Jahren im NMRZ. Dort betreut sie die Social-Media-Kanäle und ist Mitglied des Vorstands.