AfD Bayern – hilflos in der (Corona-)Krise: Ist das noch Politik?

AfD in Bayern Reality Check

Nach nun über 20 Monaten im Bayerischen Landtag ist man schon so einiges von der AfD in Bayern gewohnt. Eine Partei, die sich an sexistischen Kampagnen beteiligt („Familie statt Gender“, „Burkas? Wir stehen auf Bikinis!“ etc.) oder die die Seenotrettung im Mittelmeer als „Wassertaxi“-Fahrten bewertet. Eine Landtagsfraktion, die bei einer Gedenkfeier für die Opfer des NS-Terrors den Plenarsaal des bayerischen Landtags verlässt. Und eine Partei mit Kreisverbänden, wie dem AfD-Kreisverband München-Land. Nach der Wahl des Nürnberger Christkinds Benigna Munsi postete der Kreisverband auf Facebook: „Nürnberg hat ein neues Christkind. Eines Tages wird es uns wie den Indianern gehen.“ Solche völkisch-rassistische Bemerkungen anspielend auf die gewaltsame Unterdrückung der Ureinwohner*innen Amerikas durch die „Entdecker*innen“ offenbart die tiefsitzende rechte Gesinnung vieler AfD-Engagierten.

Screenshot vom Facebook-Post des AfD Kreisverbandes München-Land

Diese Beispiele könnten beliebig fortgeführt werden und machen deutlich, dass die AfD Bayern tendenziell weniger davon hält, dass alle Menschen die gleichen Grundrechte besitzen – und zwar unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder ihrer sexuellen Identität/Orientierung. Doch während diese Beispiele die Wertvorstellungen der Partei deutlich machen, offenbart die Corona-Krise die Unstimmigkeiten und Widersprüche der AfD-Politiker*innen…

„IN DER KRISE BEWEIST SICH DER CHARAKTER“

HELMUT SCHMIDT

Verbreitung von Verschwörungsphantasien

Nach Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben alle Menschen „das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung“ und auch im Grundgesetz heißt es nach Artikel 5, dass alle Menschen das Recht haben „Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“.

Doch wenn Parteien und gewählte Abgeordnete gezielt Falschinformationen verbreiten, sind auch irgendwann die Schranken der Meinungsfreiheit erreicht. So twitterte die Landesvorsitzende der AfD in Bayern, Corinna Miazga: „Söders Frau, Karin Baumüller Söder macht jetzt an [sic!] sog. #faceshields und verdient so an der Maskenpflicht, die ihr Mann in #Bayern nicht nur predigt, sondern sogar staatlich verordnet!“

Wie so oft wurde diese Behauptung nicht belegt und stellte sich schnell als falsch heraus. Damit schließt sich die AfD Bayern der Verschwörungsphantasie an, dass sich der Ministerpräsident mit der Maskenpflicht bereichert. Richtig ist, dass solche Masken von der Firma Baumüller Services aus Nürnberg (Söders Frau ist hier Geschäftsführerin) zwar produziert wurden, aber diese an das Martha-Maria-Krankenhaus sowie die Frankenalb-Klinik Engelthal gespendet und eben nicht verkauft wurden. Fun Fact: Während die AfD solche Lügen verbreitet, werden im offiziellen Fanshop der AfD Masken für 6€ das Stück verkauft…

AfD-Politiker*innen aus Bayern halten sich auch mit anderen Verschwörungsphantasien nicht zurück und befeuern diese gerne weiter. Dies kann exemplarisch gut an Hansjörg Müller, AfD-Bundestagsabgeordneter aus Bayern, veranschaulicht werden. Im ZDF-Morgenmagazin beschuldigte er Bill Gates, hinter dem Corona-Virus zu stecken und sich mit Zwangsimpfungen zu bereichern. Diese Verschwörungen präsentiert er auch im Bundestag und behauptet, dass die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung „die Weltgesundheitsorganisation unterwandert hat, um die Menschheit mit monopolisierten Zwangsimpfungen zu beglücken.“ Dies ist eine weit verbreitete Behauptung in den sozialen Netzwerken, die zu Recht als haltlos und falsch bezeichnet werden kann. Selbstverständlich kann die dominante Rolle der Stiftung innerhalb der WTO kritisch thematisiert werden. Dies liegt jedoch vorrangig an der Zahlungsunwilligkeit der Mitgliedsstaaten und weniger an der Stiftung selbst. Dass AfD-Politiker*innen ihrer ganz eigenen Logik folgen (und selbst das nicht konsequent) offenbart auch folgendes Beispiel aus Rosenheim.

Starkbierfest in Rosenheim: Von unnötiger Panikmache zu fahrlässiger „Corona-Party“

Als diskutiert wurde, ob das Starkbierfest in Rosenheim stattfinden kann, kommentierte der AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Winhart die drohende Absage auf Twitter noch mit: „Oh mein Gott… ist diese Panik wirklich nötig?“

Er nahm auch selbst noch unbefangen an dem Fest teil, nur um nun nachträglich tatsächlich Strafanzeige wegen der Genehmigung des Starkbierfestes gegen die Stadt Rosenheim zu stellen mit der Begründung: „Hier steht der Verdacht im Raum, dass die Rosenheimer Politik für ein wenig Aufmerksamkeit vor der Kommunalwahl die Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt hat.“

Nun spricht er davon, dass die Stadt Rosenheim eine „Corona-Party“ veranstaltet hätte, während er in einer Pressemitteilung aber auch noch sein Bedauern über die Absage des Herbstfestes äußert, die er als „unverhältnismäßig“ kritisierte. Diese Sprunghaftigkeit im Verhalten und in der Argumentation kann wohl nur fassungsloses Kopfschütteln auslösen.

Kanzlerin Merkel wäre besser hinter Gitter aufgehoben?

Der gleiche Abgeordnete hatte übrigens als Kanzlerin Merkel in Quarantäne gegangen ist, getwittert: „Gut, hinter Gitter wäre besser, aber is ja schon mal ein Anfang.“ Als der bayerische Abgeordnete mit dieser Entgleisung nach immensem öffentlichem Druck zurückruderte, räumte er in einem Tweet ein: „Der Post in Bezug auf Frau Merkel war nicht richtig und wurde daher umgehend gelöscht – er hätte auch nie online sein dürfen.“ Auf Nachfrage bestritt der Abgeordnete der Urheber des Tweets gewesen zu sein. Während über 300 Muskeln unseren Rücken stabilisieren, scheint das Rückgrat bei manchen Menschen wohl weniger stark ausgebildet zu sein…

Screenshot vom Twitter-Post des AfD-MdL Andreas Winhart

Orientierungsloser Corona-Zickzackkurs

Die gesamte Haltung der AfD-Landtagsfraktion (wie auch der Gesamtpartei) in der Corona-Krise ist durch einen orientierungslosen Zickzackkurs geprägt. Zu Beginn der Corona-Krise hat sich die AfD im Bayerischen Landtag noch deutlich für die Maßnahmen der Staatsregierung ausgesprochen:

„Wir müssen geschlossen handeln, auch über Parteigrenzen hinweg. Am heutigen Tag kennt Bayern keine Parteien mehr; es gibt in diesem Sinne am heutigen Tag auch keine Opposition, sondern es gibt nur die Notwendigkeit, mit allen Mitteln für das Wohl der Gemeinschaft einzustehen. […] Wir müssen daran arbeiten, die Sterberate durch das Virus, wo immer möglich, einzudämmen. […] Für uns alle hier sollte momentan eines von primärer Wichtigkeit sein, nämlich die Gesundheit der Bevölkerung. […] Den Katastrophenfall auszurufen war ein wichtiger und richtiger Schritt. Wir müssen diesen Weg weitergehen, wenn er Erfolg haben soll.“

AfD-MdL, Prof. Dr. Ingo Hahn, 19.03.2020

Auch wenn der Wunsch, dass es keine Opposition mehr gäbe, gefährlich nahe an die Kriegspropaganda vor dem ersten Weltkrieg erinnert („Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche!“) und antidemokratische Züge erkennen lässt, kann doch unweigerlich festgehalten werden, dass die AfD die Pandemie als einen gefährlichen Katastrophenfall bewertete.

Nachdem die Staatsregierung dann aufgrund der zurückgehenden Infektionsrate Lockerungen veranlasst hat und alle Ausgangsbeschränkungen bereits zum 6. Mai aufhob, forderte die AfD-Landtagsfraktion mit einem Dringlichkeitsantrag eine Woche später, die „Einschränkung der Grundrechte sofort zurücknehmen!“. Hierzu bezeichnete Dr. Anne Cyron, AfD-MdL, die Mundschutzpflicht als „Maulkorberlass“ und behauptete im Bayerischen Landtag sogar:

„Dabei gibt es die angekündigte Corona-Katastrophe gar nicht. – Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes wird auf dem Altar von Annahmen, Spekulationen und Mutmaßungen geopfert. […] Eine besondere Bedrohung der Menschen durch Corona gab es zu keiner Zeit – nicht einmal für die Risikogruppen.“

AfD Bayern: 180° Wende im Corona-Kurs

Diese 180°-Wende innerhalb von acht Wochen ist beeindruckend und offenbart den populistischen Opportunismus der AfD-Landtagsfraktion. Die Partei erkannte, dass ihre Wähler*innenschaft es nicht guthieß, dass sich die AfD den Maßnahmen der Regierung anschloss. Nach großen Einbußen in den Umfragewerten griff sie auf alte „Erfolgsrezepte“ zurück: der Staatsregierung Willkür und Machtmissbrauch vorzuwerfen und sich als die einzig wahre Opposition zu präsentieren. Gezielt wurden die Demonstrationen auf den Straßen aufgegriffen und politisch inszeniert. Hierbei schrecken die Abgeordneten auch nicht vor der Unterstützung von Impfgegnern zurück, die ihre Protesthaltung mithilfe des Judensterns zum Ausdruck bringen und mit dieser Anspielung auf den Holocaust/Shoa die von den Nazis ermordeten Juden verhöhnen – wie hier die Landtagsfraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner auf Instagram.

Screenshot vom Instagram-Post der AfD-Landtagsfraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner

Unser aller Verantwortung

Diese Beispiele machen deutlich, dass die Partei nicht nur populistisch sondern auch am Rande des rechtlich Möglichen agiert. Wenn gezielt Falschinformationen gestreut werden, kann das aber fatale Auswirkungen auf unser aller Zusammenleben haben. Es liegt in unser aller Verantwortung, die Widersprüche der AfD-Politik aufzuzeigen, Lügen von Politiker*innen klar als solche zu benennen und deutlich auszusprechen, wann immer Menschen wegen ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Identität/Orientierung oder anderer Merkmale ausgegrenzt, diskriminiert oder angefeindet werden. Falsche Verschwörungstheorien und rassistisches Gedankengut dürfen keine weitere Bühne erhalten, die sie ohnehin schon auf sozialen Plattformen und in Chatrooms genießen. Aus diesem Grund brauchen wir auch konkrete Schritte, die die Meinungsfreiheit nicht einschränken, aber gezielte Überschreitungen unterbinden. Wie das in der Praxis funktionieren kann, hat beispielsweise die Stadt München gezeigt, indem sie anordnete, dass Juden-Sterne mit der Inschrift „ungeimpft“ nicht mehr auf Demonstrationen gezeigt werden dürfen. Nur mit solchen konkreten Maßnahmen können wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben, die die Meinungsfreiheit schützt, aber auch menschenfeindliche Äußerungen aktiv bekämpft.

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